Besessen

Es gibt ja Menschen, die insbesondere in Deutschland eine ganz eigenartige Besessenheit mit Israel, mit dem jüdischen Staat, entwickelt haben.

Sie regen sich über jede vermeintliche, gemutmaßte, angebliche oder tatsächliche Fehlentwicklung in Israel übermäßig auf. Sie haben, metaphorisch gesprochen, Schaum vor dem Mund, wenn es um Israel geht. Sie können nicht lassen von dem Staat, der für sie all das Übel dieser Welt repräsentiert, sie können nicht aufhören zu verdammen und Galle zu spucken, wenn in ihren Augen da unten im Nahen Osten, dort, wo die Juden sind, etwas geschieht, was sie, die Richter über Gut und Böse, als das Negative, Dunkle, das Teuflische schlechthin identifizieren.

Es sind dieselben Menschen, die sich zwar ein ganz klein wenig über die Verhältnisse in Europa entrüsten, aber das kommt zumeist sehr viel bedächtiger, weniger aggressiv, weniger emotional, weniger geifernd daher. Was in Ungarn, in Polen, in Tschechien, in der Slowakei passiert, was in Italien und Österreich geschieht, was in Teilen auch in Deutschland und anderen EU-Staaten vor sich geht – das läßt sie nicht im gleichen Maße ausflippen als wenn Bibi Netanyahu hüstelt.

Wenn die polnische Regierung das gesamte Justizsystem zerstört, dann wird das irgendwie zur Kenntnis genommen, beim Nationalstaat-Gesetz in Israel dagegen wird »Attacke« gebrüllt. Daß Orbán die gesamte Medienlandschaft zerstört, die Demokratie vernichtet, Flüchtlinge wie Vieh behandelt, rassistischen Mist von sich gibt, ebenso wie Salvini, wie so viele andere innerhalb der EU, das alles ficht sie kaum an. Wenn ein FPÖ-Politiker alle Menschen, die koscheres Fleisch kaufen wollen, namentlich registrieren lassen will – dann wissen sie das vielleicht nicht einmal. Und selbt wenn – das ist ja nicht Israel, das ist nicht der Satan, das ist dann halt irgendein Idiot einer doofen Partei.

Wahrscheinlich müssen diese fanatischen Israelhasser alle mal auf die Couch. Am besten sollten sie zu einem jüdischen Analytiker gehen. Da funktioniert die Übertragung sicher viel besser als bei einem nichtjüdischen. Da können sie sich mal so richtig auskotzen, denn es hört ihnen jemand endlich mal zu. Und wer weiß? Vielleicht werden sie sich dann besser fühlen in ihrem Hass auf alles, was mit Israel zu tun hat.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

7 Gedanken zu „Besessen

  1. Hallo Herr Schneider,
    danke für diesen schönen Artikel, ich möchte mich ihrer Meinung komplett anschließen.
    Ich finde es so schön wie abgeklärt sie diese Situation schreiben.
    Sie haben diese Abgekotzheit auf Israel gut beschrieben und natürlich wissen diese Menschen auch gleich wie es besser geht, obwohl sie das Land nicht kennen.
    Ich grüße Sie,
    Sabine Engel

  2. ich weiß ja nicht, was für verrückte Mails Sie von anderen Lesern bekommen, aber als normaler Leser wundert man sich schon manchmal über einen Blogeintrag wie den heutigen. Vielleicht liegt es an dem Phänomen, dass sich bei der Kommunikation am Computer die „Kontrahenten“ nicht wirklich gegenüber sitzen und die Mimik und Reaktion des anderen sehen. Dann käme es wohl nicht zu solchen Eskalationen. Vielleicht müssen wir Menschen ja erst noch lernen mit Mails und Kommentaren behutsamer umzugehen, wie etwa in der Netiquette formuliert: https://de.wikipedia.org/wiki/Netiquette.

  3. Sehr passend! Genau das sag ich in Bezug zu einer NGO und deren Anhänger hier in Luxemburg. Allerdings schreiben Sie es so viel besser! Dürfte ich Ihren Beitrag in meinem Jahresbericht zu 2018 publizieren?

  4. Neulich einer Dame auf Twitter (links, progressiv und eigentlich sympathisch) empfohlen zwecks Meinungsbildung Israel zu besuchen. Zack, geblockt. “Mensplaining” sagte sie noch.

  5. Vielen Dank für diese aus dem Herzen niedergeschriebene Zeilen. Als israelischer christlicher in Deutschland lebender Aramäer kann ich ihren Beitrag nur bestätigen. Leider hat man das Gefühl, dass man bei der Kritik der israelischen Politik, nur darum geht zu zeigen, dass Israel Böse ist. Viele Menschen beschäftigen sich mit dem Land nicht mehr. Das ist sehr traurig.

  6. GutenTag Herr Schneider,
    Dieselbe Erfahrung , wie Sie, habe ich auf Twitter gemacht. Nun gut, ich habe Israel den erfolgreich sehr witrschaftlichen Staat, der maroden (wirtschaftlich, demokratisch) Türkei gegenüber gestellt. Und prompt wurde ich von geifernden Kommentaren, was das israelische Palästinenser-Problem angeht, erhalten.
    Ja, sie sind ja „so böse“ die Juden und machen alle anders Gläubigen mit Wonne kaputt- Ehrlich, mir kommt diese antisemitische Dauerhetzkampagne echt hoch. Ich nenne es tägliches Survival, was der jüdische Staat mitmachen muß, um zu überleben!

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