Chemnitz oder der Niedergang der Demokratie?

Natürlich wurde das schon überall in den Medien erwähnt, aber – sorry – ich rege mich immer noch wahnsinnig auf über diese unsägliche Verlogenheit der Extremen Rechten in Chemnitz, die Krokodilstränen vergießen, in dem sie so „wütend“ ist über die Ermordung eines Deutschen. Eines Deutschen, der einen kubanischen Vater hat, und von diesen Leuten im Grunde niemals als „echter“ Deutscher gesehen würde, wenn er gerade nicht „Opfer“ wäre, und so der Rechten dient, um gegen andere Stimmung und Jagd machen kann.

Und es ist unfassbar, daß von der Bundesregierung erst heute endlich mal jemand in Chemnitz vorbeigeschaut hat, die tapfere Familienministerin Giffey.

Und der gute Herr Kretschmer kommt auch erst zum Gespräch nach Chemnitz als es eigentlich schon zu spät ist…

Was ist da eigentlich los? Abgesehen von dem Wahnsinn, daß der Haftbefehl ins Netz gestellt wurde, daß einer der möglichen Täter längst hätte abgeschoben werden sollen – und es nicht wurde.

Da geht gerade sowas von schief in Deutschland. In einem Land, in dem man doch immer so stolz darauf ist, daß alles „funktioniert“.

Nein, das ist im Grunde alles nicht neu. Aber jetzt ist es inzwischen auch zunehmend gefährlich. Die Verdrossenheit mit der etablierten Politik wächst weiter. Im Politbarometer des ZDF kommt die AfD inzwischen auf 17% und ist damit nur noch einen Punkt hinter der SPD.

Immerhin: 76% der Deutschen machen sich Sorgen um die Demokratie. Mal sehen, ob das langfristig reicht, die AfD und die Extreme Rechte im Zaun zu halten. Oder, ob wir auch in Deutschland bald italienische, österreichische, ungarische, polnische Verhältnisse bekommen.

 

3 Gedanken zu „Chemnitz oder der Niedergang der Demokratie?

  1. Sebnitz und Mittweida grüßen. Nun also Chemnitz.

    Sehr geehrter Herr Schneider, ich schätze Ihre Berichte aus dem Nahen Osten. In Ihrer Wahrnehmung deutscher Innenpolitik liegen Sie leider völlig im Hauptstrom des wahnhaften Kollektivdenkens Ihrer Berufskollegen.

    Über die Vorgänge in Chemnitz wird so unendlich viel Gesinnungstüchtiges berichtet. Leider handelt es sich dabei ganz überwiegend um Meinungen, Interpretationen, Hörensagen und Insinuationen, nicht um neutrale Berichte, sondern um Ausmehrungen der persönlichen Befindlichkeiten und ideologischen Befangenheiten der Berichterstatter.

    Ständig wird von Ausschreitungen gehandelt: Was für Ausschreitungen konkret? Man sieht Videoausschnitte, weiß aber nicht, wer hier warum wem ein paar Meter nachrennt und warum das eigentlich eine angeblich verbreitete „Menschenjagd“ belegen soll. Man liest von Verletzten, liest aber anderswo, dass die Angriffe zu einem Gutteil von sog. Antifaschisten ausgegangen seien. Man empört sich über „Zusamenrottungen“, als wären diese nicht Synonyme für grundgesetzlich geschützte Demonstrationen.

    Ich lese die Polizeiberichte und reibe meine Augen: Wird hier der gleiche Vorgang wie in den Medien dargestellt behandelt?

    Man berichtet über Flaschenwürfe, besonders höhnisch auch über asoziale Radaubrüder und Trunkenbolde, auch über die nun tatsächlich ekelhaften Nazisprüche von Hooligans, setzt deren insgesamt doch recht vereinzeltes Vorkommen aber nicht in Relation zum Engagement von 8000 bürgerlich-friedlichen Protestierern und schon gar nicht zu anderwärts üblichen tatsächlich gewalttätigen Riots, alljährlich in Berlin, Hamburg.

    Deutsche Journalisten berichten aus einer Blase, sie bestätigen sich in kognitiver Dissonanzreduktion gegenseitig in ihrer selektiven Weltsicht, und glauben ganz fest an den Realitätsgehalt ihrer Imaginationen. Die manische Einseitigkeit ihrer Berichterstattung spiegelt letztlich die Angst der politisch-medialen Nomenklatura vor dem unvermeidbar bevorstehenden Einbruch der Realität.

    Nur für den Fall, dass sich das Fenster der rationalen Aufklärung noch öffnen lassen sollte:
    https://www.publicomag.com/2018/09/sachsens-generalstaatsanwaltschaft-widerspricht-merkel/

  2. Doch, ich finde, dem ist noch einiges hinzuzufügen, was aber den Rahmen einer Kommentarmail sprengen würde. Ich versuche mich kurz zu fassen und muss dabei in Kauf nehmen, missinterpretiert zu werden.
    Die Deutschen im September 2015: Scheinbar gab es auf der einen Seite nur die „Refugees welcome“-Menschen und auf der anderen Seite die Gegner, von denen ein Teil, ich sage bewusst ein Teil, ohne Frage bedenklich rechts und ein weiterer Teil rechtsextrem, rassistisch und verfassungsschutzrelevant ist. Ich gehörte und gehöre übrigens zu keinem dieser Teile. Seit 2015 wird diese Debatte ausschließlich emotional geführt, es scheint, als ob beide Seiten (die Rassisten und Neonazis jetzt mal ausgeschlossen, da eh unbelehrbar) für rationale Argumente NICHT aufgeschlossen sind. Meiner Ansicht nach geht es – nehmen wir jetzt mal Chemnitz – nicht um Flüchtlinge, Islam, Kriminalität unter Asylsuchenden oder Asylanten… das ist das Verlogene an der ganzen Sache. Ich glaube, auf beiden Seiten geht es schlichtweg um ANGST. Die größte Angst der „Refugees Welcome“-Menschen ist die, in eine rechte Ecke gesteckt zu werden, das sind gerade auch die Leute, die eine Schulbildung wie ich „genossen“ haben, Sie erinnern sich vielleicht, lieber Herr Schneider 😉 Da ist die Sache mit der Kollektivschuld, da ist das Gefühl, ein Deutscher zu sein, ist eh schon ein Stigma an sich, man kann gegen alles auf die Straße gehen, Hauptsache, es hat nichts mit Fremden/Ausländern zu tun. Deswegen werden auch sämtliche Probleme und Herausforderungen, die mit der Fülle an Asylsuchenden auftauchen, systematisch verdrängt. Und da ist die andere Seite: die Gegner und natürlich hier inbegriffen auch die Rechtsextremen und Neonazis: ihre Angst begründet sich ursprünglich gar nicht auf den Flüchtlingen, nein, sie hatten schon immer Angst: Angst vor sozialem Abstieg, wenn sie nicht schon längst abgestiegen waren, und damit einhergehend Angst vor sozialer Ausgrenzung. Wenn man beispielsweise in Chemnitz schaut, wer denn da eigentlich gegen Flüchlinge etc. auf die Straße geht: das sind die „kleinen“ Leute, die Angst haben, dass der Staat ihnen das Wenige, was sie haben, auch noch nimmt, weil sie denken, dass der Staat das Geld nun für die Flüchtlinge braucht; dies jetzt mal ganz verkürzt gesagt. Da ist der Hartz IV-Empfänger, der es nicht verstehen kann, dass ein Flüchtling ohne Papiere in Deutschland das gleiche Geld bekommt wie er selbst. Da sind die jungen, schlecht verdienenden Familien, die keine bezahlbare Wohnung finden und für Flüchtlinge wir neu gebaut (Anschlussunterkunft). Und auf dieser Basis – wie gesagt, sehr, sehr verkürzt – diskutiert man in Deutschland seit nunmehr DREI Jahren.
    Kein Mensch und vor allem kein Politiker kommt auf die Idee, die Sache mal von außen zu analysieren: Wir haben in Deutschland ein Asylrecht und das ist auch gut so! Deutschland war auf die Monate nach September 2018 nicht vorbereitet und es ist einiges schief gelaufen, z. B. Thema Registrierung. Aber nun ist es wie es ist, jetzt müssen Lösungen gefunden werden. Deutschland kann nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen, das kann kein Land dieser Welt, und es ist nicht rassistisch, dies festzustellen. Verlässliche Zahlen, wieviele Flüchtlinge Deutschland finanziell und integrativ verträgt, fehlen völlig. Die viel zu wenigen Integrationsmaßnahmen greifen zum Teil nicht, weil sie völlig an der Realität vorbei geplant sind. Die Reaktionen und die Befindlichkeiten von Teilen der Bevölkerung (siehe oben: die andere Seite) wurden völlig unterschätzt. Rente, Mindestlohn, Hartz IV, Bildung, Steuern, soziales Gefälle wurden seiten des Staates schon lange im Sinne des sozialen Friedens vernachlässigt; somit ist es nicht verwunderlich, dass es einen „Grund“ braucht, dass sich die Wut dieser Menschen entlädt – ok, der Getötete in Chemnitz war zur Hälfte Kubaner, aber der halbe Deutsche tuts in diesem Fall dann auch, um weiterzutoben… Mich hat es nicht gewundert, was in Chemnitz passiert ist, es war nur eine Frage der Zeit. Und es erinnert mich an eine Zeit, die ich zwar nur aus den Geschichtsbüchern kenne, aber…

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