Der Schnurrbart des Amir Peretz

Andy Warhol hat mal gesagt, daß jeder für 15 Minuten berühmt sein kann. So war das auch vor ein paar Tagen mit Amir Peretz und seinem Schnurrbart. Beziehungsweise mit dem Schnurrbart, den es nach 50 Jahren nicht mehr mag. Der Führer der Arbeitspartei (der Führer der …. wer?) hat als eine seiner ersten Amtshandlungen gleich einen merger mit Orly Levy-Abecassis und ihrer Gescher-Partei gemacht. Orly Levy ist – wie Peretz – misrachisch, sie hat sich die soziale Agenda auf die Parteifahne geschrieben und ist damit übrigens bei den Wahlen im April komplett durchgefallen.

Der misrachische Schnurrbart

Peretz dachte sich wohl, daß dieser „misrachische“ Touch, den er durch sich und Orly seiner Partei verordnen wollte, den misrachischen Wählern, die die Avoda-Partei, die Arbeitspartei, seit immer schon als Hort der „aschkenasischen Elite“ sehen, die Partei näher bringen könnte (das war jetzt wirklich ein strukturell komplizierter Satz – genauso wie das ganze Problem!).

Was Peretz übersehen hat: Die Avoda hatte schon ein paar misrachische Führer. Es hat nix genutzt. Das beste Ergebnis hatte vor 4 Jahren der aschkenasischen Bujie Herzog erzielt (mit Livni im Schlepptau), die Partei ist im israelischen politischen Spektrum inzwischen überflüssig geworden und steht für nix mehr. Und – am schlimmsten: Peretz hat mit dem Merger den Eindruck erweckt, daß er einer Koalition mit Bibi im Zweifelsfall nicht abgeneigt sei, denn Orly Levy kommt aus dem Dunstkreis von Likud und auch Lieberman und ist nun politisch nicht wirklich „links“.

Clown der Nation

Also was macht der gute Peretz: er rasiert sich seinen Schnurrbart ab, als Beweis, daß er „niemals“ mit Bibi koalieren würde. Die Medien springen drauf, klar. Und während sich Peretz für 15 Minuten zum Clown der israelischen Gesellschaft macht, beschäftigt sich Premier Netanyahu mit Angriffen des Iran, mit Angriffen auf Ziele der Schiiten im Libanon und in Syrien, mit der Hamas in Gaza, beschäftigt sich mit Zielen im Irak, um iranische Stellungen zu zerstören und hat keine Zeit, sich einen Schnurrbart wachsen oder gar abrasieren zu lassen.

Das Kasperletheater wird erweitert durch eine Partei (Partei?), die sich Blau-Weiss nennt, und in erster Linie damit beschäftigt ist, die Probleme zwischen den Egos ihrer großartigen Führer (drei ehemalige Generalstabschefs und ein ehemaliger Journalist) irgendwie wieder ins Lot zu bringen und all das, was unter ihnen besprochen wird, so zu hüten, daß es nicht – wie die ganze Zeit schon – gleich an die Presse durchgestochen wird. Auch da will man irgendwie mit Bibi koalieren, aber eigentlich doch nicht, aber irgendwie unter bestimmten Bedingungen vielleicht doch schon…

Der große Staatsmann

Und dann wird Benny Gantz großzügig von Bibi eingeladen, damit er über die aktuelle Sicherheitslage gebrieft wird – was gar nicht nötig wäre, er ist im Augenblick nicht der offizielle Oppositionsführer und man könnte ihn auch über ein einfaches Komitee informieren. Aber Bibi inszeniert das natürlich großartig. Er, der Premier, der die Sicherheit Israels im Auge behält, wird in diesem Moment zum großen Staatsmann, der den politischen Gegner einbezieht, denn es geht um Größeres als so eine Petitesse, wer denn nun PM wird.

Der Bart muss ab

Und Ehud Barak ätzt nonstop gegen Bibi mit seiner kleinen Mannschaft, der Demokratischen Union, zu der auch Meretz gehört und erreicht dennoch nichts. Mit seinem Bart schaut der 77jährige aus wie Rumpelstilzchen, ihn mag niemand mehr und so wirklich vertrauen tut ihm auch keiner mehr, selbst wenn er politisch und militärisch sicher derjenige ist, des es am ehesten mit Bibi aufnehmen könnte. Eventuell muß er sich ja auch den Bart abrasieren, damit er für 15 Minuten wieder die Aufmerksamkeit der gesamten Nation gewinnt?

Bleiben nur drei in diesem Wahlkampf, die man ernst nehmen muß: Bibi selbst. Und dann ist da Ayelet Shaked, die blitzgescheite Ultrarechte, für die „Faschismus wie Demokratie riecht“ (Sie erinnern sich an das Parfum-Video vom letzten Mal?). Und:

Lieberman. Er ist der Königsmacher. Er zieht seinen Wahlkampf knallhart gegen die Frommen durch – und damit gegen Bibi. Ohne ihn wird nichts gehen. Sollte Bibi stürzen, dann nur seinetwegen, aber ganz gewiß nicht wegen der Kasperln der sogenannten Opposition, die in Wahrheit keine ist.

Ab in die Versenkung

Und wenn Bibi doch gewinnt? Dann werden die Granden von Kahol-Lavan nach Hause gehen, ebenso wie Amir Peretz und Orly Levy-Abecassis und Ehud Barak. Alle werden sie in der Versenkung verschwinden. Und Bibi wird sie alle auslachen. Inklusive des Generalstaatsanwaltes und der Gerichte. Denn – da würde ich fast wetten: Bibi wird nie und nimmer in den Knast gehen. Im Zweifelsfall wird er irgendeinen Kuhhandel eingehen. Und Mandelblit und Co. werden sich darauf einlassen.

Welche Insel?

Sie finden das alles ganz schlimm? Ach nö…. in Russland, Ungarn, Polen, Brasilien, Italien, England und – in Ostdeutschland – schaut‘s inzwischen mindestens ebenso schlimme aus, wenn nicht schlimmer. Willkommen in der neuen Realität. Und – ach ja, ganz vergessen: Welche Insel will Trump diese Woche kaufen?

 

 

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