Die alten Likud-Wähler

Heute morgen mußte ich mein Auto zum israelischen TÜV bringen. Da ich solche „Gänge“ schrecklich finde, bat ich meine Leasingfirma das für mich zu übernehmen. Ein sehr netter Mann namens Amram, kam vorbei, um das Auto abzuholen. Er ist Mitte 60, stammt aus Tunesien, ist aber schon als junger Kerl mit seinen Eltern nach Israel eingewandert. „Und ich habe in zwei Kriegen gekämpft“, erzählte er mir. Nicht, um damit zu prahlen, sondern um zu zeigen, daß auch er einen Einsatz für das Land geleistet hat. Natürlich begannen wir sofort über die morgigen Wahlen zu sprechen. „Ich bin ein Likudnik“, sagte er mir, um aber dann gleich anzufügen: „aber ich wähle den Likud schon lange nicht mehr. Und Bibi muß weg.“

Er ist einer von denen, auf die vor allem Blau-Weiss von Herausforderer Benny Gantz hofft. Jene „anständigen“ Likudniks, die wissen, daß Netanyahu aus ihrer traditionsreichen Partei ein ultrarechtes Gebilde gemacht hat. Der seine Partei in eine Kult-Maschine für seine Person verwandelt hat. Der vor allem dem Likud die demokratischen Züge ausgetrieben hat, so sieht das Amram. Und mit ihm viel andere.

„Weißt Du, Bibi hat keinen Anstand mehr, keine Würde, er interessiert sich nicht für uns arme Leute, die wir kaum etwas besitzen und hart arbeiten müssen bis ans Ende unserer Tage. Es geht immer nur um ihn, um ihn, um ihn.“, regt sich Amram auf.

„Aha, und warum wählen ihn dann trotzdem viele misrachische Juden aus ärmeren sozialen Schichten?“

„Weil sie dumm sind. Und weil ihr Hass auf die aschkenasische Elite noch viel größer ist“

„Aber kapieren sie nicht, daß Bibi ja selbst zu dieser „aschkenasischen Elite“ gehört und sie sozialpolitisch  im Stich läßt?“

„Nein, sie kapieren es nicht. Sie glauben, die anderen sind noch schlimmer und wählen Bibi – oder noch weiter rechts. Sie sehen nur die Linke, die angeblich ihr traditionelles Judentum belächelt, sich darüber lustig macht. Sie fühlen sich benachteiligt, minderwertig – und wählen Bibi.“

„Und wieviele gibt es, die denken wie Du?“

„Viele. Vor allem in meiner Generation“

„Und wird das morgen einen Einfluß auf das Wahlergebnis haben?“

„Es muß. Wir brauchen einen Wechsel. Unbedingt“

„Und wenn Bibi wieder gewinnt?“

„Dann müssen wir weiterkämpfen. Was bliebe denn anderes übrig? Weggehen? Das hier ist unser Zuhause. Wo ist es denn besser? In Europe, woher du kommst? In Amerika? Wo? Nein. Wir bleiben hier. Bis ans bittere Ende.“

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