Gaza – Der Tag danach, sozusagen

Es ist kurz nach Mittag hier in Tel Aviv und bislang scheint es ruhig zu bleiben an der Grenze zu Gaza. Diese Gewaltrunde scheint – hoffentlich – erst einmal vorbei. Es waren die schlimmsten Kämpfe seit dem Gaza-Krieg 2014. Der Islamische Jihad und auch die Hamas zeichnen verantwortlich für die Angriffe.

Nun soll Ägypten eingeschritten sein. Von palästinensischer Seite heißt es, man habe einen Waffenstillstand mit Hilfe Kairos ausgehandelt, die Israelis bestreiten das, sagen, es sei nur klargemacht worden, daß Israel Gaza nicht angreifen werde, wenn Gaza Israel in Ruhe lasse.

 

Ägypten als Vermittler

Wie auch immer – es sieht am Tag danach so aus, als ob es jetzt ruhig bleibe. Die Angriffe waren so heftig, daß die Palästinenser wohl begriffen haben, daß sie einen Krieg provozieren würden – und den können sie sich derzeit nicht leisten. Israel auch nicht, aber für Hamas steht noch viel mehr auf dem Spiel, denn die Auseinandersetzung mit der PA und auch mit dem Islamischen Jihad geben den Islamisten an der Macht wenig Spielraum. Und sie wollen ja an der Macht bleiben.

Ägypten hat großes Interesse daran, alles im Griff zu behalten. Denn Kairo möchte mittelfristig wieder mehr Einfluß im Westjordanland gewinnen, dann, wenn Palästinenserpräsident Abbas abtritt oder stirbt und die Nachfolge geregelt werden muß. Es ist kein Geheimnis, daß die Ägypter gerne Mohammed Dahlan in einer wichtigen Rolle hätten, den Erzfeind Abbas, den einstigen Fatah-Chef in Gaza bis er 2007 nach dem Putsch der Hamas weg mußte aus Gaza. Fatah-Granden beäugeln den smarten, aber korrupten Mann als Gefahr. Nur – korrupt sind fast alle in der PA, Dahlan hätte den Vorteil, die Israelis genau zu kennen, er spricht fließend Hebräisch, da er bei ihnen im Gefängnis saß und die Mentalität der Israelis kennt – und mit ihnen auch ganz gut auskommt. Er wäre möglicherweise auch ein Kandidat für die Präsidentschaft, die dem Weissen Haus lieb wäre.

Für Israel ist es natürlich wichtig, mit den Ägyptern in gutem Einvernehmen zu bleiben. Man arbeitet bestens bei der Terror-Bekämpfung im Sinai zusammen, man hat sehr viele gemeinsame Interessen, da hört man auch bei Vermittlungsversuchen auf al-Sisi und die Seinen.

 

Unnötiges Säbelrasseln in Jerusalem

Es scheint also nun tatsächlich so, daß es ruhig bleibt. Auch wenn einige israelische Minister wie Ayelet Shaked und Yuval Steinitz gestern schon davon schwaffelten, daß man Gaza wiedererobern und der Hamas den Garaus machen werde. Viel Lärm um Nichts. Niemand will das, am wenigsten das Militär. Und wieviel israelische Soldaten bei einer Wiederbesetzung Gazas sterben würden, konnte man 2014 erahnen, als fast 70 Soldaten bei Häuserkämpfen in Gaza starben.

In solchen Momenten sind selbst linke Israelis froh, daß Netanyahu das Sagen hat und nicht seine Ultras. Alles ist relativ, nicht wahr?

 

USA wollen Sondersitzung in der UN

Die USA wollen nun wegen der Palästinenserangriffe eine Sondersitzung in der UN einfordern. Natürlich kamen sofort Vorwürfe, Nikki Haley hätte bei den Tötungen der Israelis von rund 60 Palästinensern am Gaza-Zaun vor einigen Wochen nichts getan. Doch, hat sie: Sie hat auch schon damals die Hamas als Verantwortlichen gebrandmarkt und erklärt, daß die Proteste keineswegs so friedlich waren, wie die Islamisten versucht hatten, dies der Welt zu verkaufen.

 

Fakten schaffen. Zack

Interessant, wie sich der Wind radikal gedreht hat, zumindest in Washington. Bibi und die Seinen sehen das natürlich mit Genugtuung. Aber ich hatte gestern ein Gespräch mit einem israelischen Hightech-Unternehmer, der stets nur links wählt. Und er sagte mir etwas, was ich hier im „linken“ Tel Aviv zunehmend höre: „Was Trump macht, ist gar nicht so schlecht. Er sagt: Du spielst nicht, wie ich will? Ok, du bekommst eine Ohrfeige. Dann können wir weitersehen. Mir war es egal, ob die Botschaft in Tel Aviv oder Jerusalem ist. Aber er hat Fakten geschaffen. Zack. Die Palästinenser mit ihrer ewigen Verweigerungshaltung können nun schauen, wo sie bleiben. Wenn sie nicht mitmachen werden: Zack, gibt es die nächste Ohrfeige. Was soll man tun?“

Das erinnerte mich schon sehr an Mohammad bin Salman, dem Kronprinzen Saudi-Arabiens, der bei einem Treffen mit amerikanisch-jüdischen Organisationen gesagt hatte, die Palästinenser sollten jetzt endlich annehmen, was man ihnen anbietet, oder aber endlich aufhören, immer nur rumzumeckern.

 

Lippenbekenntnisse. And that’s it

Tatsächlich haben im Nahen Osten immer mehr Politiker die Palästinenser satt. Und es ist auch kein Wunder: Die Zerstrittenheit der Palästinenser untereinander, die Bereitschaft der Hamas und des Islamischen Jihad, Geld vom Erzfeind Iran anzunehmen und sich in dessen Dienste spannen zu lassen, die Notwendigkeit der arabischen Staaten mit Israel zusammenzuarbeiten – das alles macht es Abbas, der obendrein alt, krank und schwach ist, schwer, sich noch Gehör zu verschaffen. Ja, die arabischen Machthaber machen regelmäßig Lippenbekenntnisse an die Palästinenser, but that’s it.

Und so kann sich Bibi in der kommenden Woche auf jene konzentrieren, die nicht „auf Israels Seite sind“: Die Europäer. Er fliegt nach Berlin und Paris. Dort sitzen Regierungen, die am Atom-Deal mit dem Iran festhalten wollen. Bibi wird versuchen, sie umzustimmen. Mit Sicherheit vergeblich. Und wieder werden er und die Araber erklären, wie naiv die Europäer doch sind. MbS hat ja bereits reagiert: Er hat die Zusammenarbeit mit allen deutschen Firmen aufgekündigt, die mit dem Iran Geschäfte machen. Europa nervt den Nahen Osten. Zumindest, wenn es um die Palästinenser und den Iran geht.

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