Per im Glück

„Per im Glück“, so heißt ein Film des berühmten Regisseurs, Oscar-Preisträger Bille August, der nun auf Netflix zu sehen ist. Ein verwirrender Film, die Geschichte ist hier nachzulesen: https://en.wikipedia.org/wiki/A_Fortunate_Man

Per ist also ein junger, mittelloser Mann, der aus der Strenge seines lutheranischen Elternhauses flieht und in Kopenhagen sein Glück als Ingenieur sucht. Dabei gerät er an die reiche jüdische Familie Solomon, die ihm finanziell unterstützt und sein Projekt, Dänemark zu modernisieren, durchsetzen will. Per läßt sich auf eine Beziehung mit Jakobe, der ältesten Tochter der Solomons ein – u.a., weil er auf ihre Mitgift hofft. Aber Per ist stolz und eigensinnig, sein Verhalten führt dazu, daß er alles verliert. Und er trennt sich von Jakobe, die schwanger von ihm ist, was er aber nicht weiß.

 

Reiche Juden und protestantische Strenge

Auf alle Fälle irritierte mich die Darstellung der jüdischen Familie in diesem Film. Ja, es werden nicht allzuviele Klischees bedient, insofern ist das schon etwas, wenngleich natürlich der Topos der „reichen Juden“ sich durch den Film zieht (was aber am Originalbuch des dänischen Nobelpreisträgers Henrik Pontoppidan liegt). Ja, der Film zeigt auch antisemitische Vorurteile der dänischen Umwelt. Und die Beziehung zwischen Per und Jakobe bricht auseinander, weil Per nicht klar kommt mit sich, seiner Vergangenheit, der protestantischen Strenge seines Vaters, des Pfarrers.

 

Warum ausgerechnet jetzt?

Aber er zeigt auch, daß Christen und Juden nicht zusammenkommen können, selbst wenn Per und Jakobe sich am Ende seines Lebens nochmal treffen, sich versöhnen und er für ihre Schule für Arme sein Erspartes vermacht. Dennoch ist die Botschaft des Films problematisch. Und die Frage, warum Bille August ausgerechnet diesen Stoff in diesen Zeiten aufnahm, um daraus einen Film zu machen, bleibt für mich unbeantwortet. Ja, gewiß, „Lykke Per“, das achtbändige Werk des dänischen Nobelpreisträgers, gehört zum literarischen Kanon des Landes. Ein guter Grund für einen dänischen Regisseur, diesen Stoff zu verfilmen. Und dennoch frage ich mich: Warum jetzt? Warum ausgerechnet jetzt? Was will er mir damit erzählen, mir, der ich kein Däne bin und insofern mit diesem Stoff möglicherweise nicht so vertraut bin wie die dänische Gesellschaft?

 

Per im Glück – eine message für dieses Jahrhundert?

Ein eigenartiges Gefühl bleibt in mir zurück. Fast drei Stunden lang ist „Per im Glück“, intensiv, dicht, anstrengend, düster, selbst wenn ich von der Umsetzung nicht immer überzeugt war. Der Zusammenbruch von Per kommt ein wenig „überraschend“, psychologisch im Film nicht überzeugend entwickelt. Aber gut, das sind kleine Details.

Juden und Christen können also nicht zusammenkommen. Das Buch war Ende des 19./Anfang des 20. Jh. erschienen. Da mag so eine „message“, trotz aller Versöhnung der beiden Protagonisten am Ende, gestimmt haben. Stimmt sie also jetzt wieder? War Bille August sich dessen bewußt, daß man das falsch verstehen kann? Oder habe ich hier etwas Wesentliches verpasst und nicht genau verstanden, was mir der Film – neben der Tragik des Per’schen Lebens – erzählen will?

2 Gedanken zu „Per im Glück

  1. Bille August hat in einem Interview erzählt, warum er den Film für so aktuell hält. Per verkörpert für ihn die moderne, nazistische Persönlichkeit, die so egozentrisch ist, dass sie mit keinem anderen Menschen wirklich in Kontakt treten kann. Gleichzeitig erinnert die strenge evangelische Erziehung den Regisseur an seine eigene Jugend. Das alles hat meines Erachtens nicht wirklich viel damit zu tun, ob Christen und Juden zusammen passen, sondern soll wohl eher ein Spiegel des modernen Menschen sein, der durch per verkörpert wird. Wörtlich:
    It was an important film to do. I liked the story, of course, but I also find Per to be a very modern character. Because he’s so self-centred and self-obsessed, he reminds me of the modern selfie generation who can only think about themselves and asserting themselves. And what I like about this story is that Per, being so selfish, has to pay such a high price for that, eventually. It’s hard for him, but he cannot socialise with anybody; he has to isolate himself far away from other human beings. And I was wondering about the younger generation today, who are always on their iPhones and are obsessed with social media – what will happen to them, psychologically? What does it mean for your image of yourself, your self-esteem? So that’s one of the reasons why I think the film is relevant today, but Per’s childhood and the way he grew up reminds me of my own childhood as well, so it was also a personal thing.
    Das ganze Interview gibt es hier: https://cineuropa.org/interview/363823/

  2. Ich muss Ute recht geben, so habe ich es auch verstanden. Und vor allem, von meiner Perspektive, meiner Herkunft , Religion und Erziehung her kann ich nur sagen: uns verfolgt manchmal die Vergangenheit, bei den Menschen werden Gefühle nach deren Erfahrungen ausgelöst und es steht einem im Weg (die Taschenuhr) .. man ist gefesselt, man fühlt sich nicht wohl ( in der Gesellschaft, in der man nicht vertraut ist und andere Werte vorgegeben sind) und frei und das ist halt schädlich und dumm. Er könnte sich von seinem „Wurzeln“ nicht lösen .. ( sorry für mein Deutsch)

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