Zeitverschwendung

Gestern traf ich zwei jüdische Intellektuelle in einem Café in Tel Aviv, seriöse, bekannte Denker, die wie ich aus Europa stammen. Ich erzählte ihnen, daß ich vor kurzem zu einer Tagung in Florenz zum Thema Antisemitismus in Europa eingeladen war.

 

Zeitverschwendung

Beide schauten mich an und sagten nur: Hast du soviel Zeit? Das ist doch Zeitverschwendung, gegen den Antisemitismus kann man doch sowieso nichts machen, den hat es immer gegeben, den wird es immer geben, man muß grundsätzlich davon ausgehen, daß die große Mehrheit der Nichtjuden antisemitisch ist und man muß halt bei den einzelnen sehen, wie stark die antisemitische Prägung ist. Und manchmal ist man angenehm überrascht, wenn jemand tatsächlich kein Antisemit ist. Aber wer glaubt ernsthaft daran, daß man mit irgendwelchen »Programmen« tatsächlich irgendwas verändern kann? Aufklärung? Erziehung? Das hat noch nie was gefruchtet.

 

Lakonisch

Nein, ich war nicht überrascht über das, was sie sagten, ich war nicht geschockt noch sonstwas. Ich kann das verstehen und nachvollziehen. Die Art, wie sie es sagten, war die wesentliche »Message«. Es kam als trockene Feststellung. Nicht anklagend, nicht leidend, nicht aggressiv. Es war die lakonische Beschreibung eines Sachverhaltes, wie sie ihn sehen. So wie wenn man sagt: Ich gehe nächste Woche ins Kino. Oder: Ich habe gestern ein Schnitzel gegessen.

Darüber redeten wir, wie wenn man über’s Wetter redet. Einer der beiden sagte noch: »Man muß uns Juden nicht mögen. Aber uns angreifen oder umbringen, das geht halt nicht.« Das sagte er sarkastisch. Wir lachten.

 

Abbas‘ antisemitische Rede

All das einen Tag nachdem Palästinenserpräsident Abbas mal wieder eine eindeutig antisemitische Rede in Ramallah losgelassen hat. Eine Rede, die so abstrus war, daß Deutschland und selbst die EU diese nun verurteilt haben. Mehr dazu hier:

Germany slams Abbas for ‘anti-Semitic’ remarks; EU, UN call speech unacceptable

Nun ja. So denkt der »moderate« Abbas. Noch ein Antisemit mehr. »What else is new?« sagen in Israel viele Menschen.

 

In die Niederungen europäischer »Kultur«

Ich selbst tue den Antisemitismus etwas weniger »unbeschwert« ab, wenngleich meine Skepsis, daß die Lage in Europa zu »retten« ist, ziemlich groß ist. Nun beginne ich mit den Recherchen für ein neues Buchprojekt, das in diese Richtung geht. Ich werde mich also mal wieder »auf die Reise« in die tiefsten Niederungen europäischer »Kultur« begeben … Ich ahne, nein, ich weiß, was ich alles finden werde … Ich habe es selbst oft genug erlebt. Interessant wird sein, wie die »feinen Unterschiede« in Sachen Judenhass in den europäischen Ländern ausschauen, wie sie sich äußern.

Und während ich diese Zeilen schreibe, bekomme ich von »RIAS« einen Tweet, der besagt, daß laut FOCUSonline Unbekannte auf einem jüdischen Friedhof in der Heidestraße in Coswig drei Grabsteine mit Graffiti beschmiert haben.

 

Richard C. Schneider, Tel Aviv

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